
Behindert Deutschland den EU-Schwerbehindertenausweis

Berlin [ENA] Die EU will einen einheitlicher Europäischer Behinderten- und Parkausweis einführen und der derzeitige Europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen soll gestärkt werden. Momentan blockiert der Bundesrat dieses Vorhaben mit einem Beschluss der jetzt beraten werden muss.
Seit langem wird ein EU-Schwerbehindertenausweis gefordert, also ein EU einheitlicher Ausweis, der eine Schwerbehinderung bescheinigt. Die EU hat vor vielen Jahren daraufhin ein Pilotprojekt gestartet, welches jetzt beendet ist. Als nächster Schritt ist die Einführung des EU-Schwerbehindertenausweises geplant. Aktuell wird der Kommissionsvorschlag vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert. Wenn der Vorschlag angenommen worden ist, haben die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Derzeitig wird das Verfahren von Deutschland blockiert, denn der Deutsche Bundesrat hat ein Verfahren zur "Eröffnung des Verfahrens über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" eröffnet. Der Bundesrat stellte in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2023 dar, dass man den EU-Schwerbehindertenausweis nebst einen EU weit einheitlichen Parkausweis zwar begrüße, aber eine der Forderungen an die Bundesregierung, ist die Bezeichnung des EU-Schwerbehindertenausweises.
"Die Einführung eines neuen Ausweisdokuments bietet die Chance, abseits historisch gewachsener Begriffe einen positiv konnotierten Namen zu wählen, der den Fokus auf Teilhabe und Inklusion legt. So könnten „Europäischer Teilhabeausweis“ oder „Europäischer Inklusionsausweis“ geeignete Alternativen darstellen," heißt es dazu in dem Beschluss des Bundesrates. Allerdings ist im Beschluss auch kritisches zu lesen.
Problematisch sieht der Bundesrat offensichtlich auch die Regelungen, die hinsichtlich der Mobilität geplant sind, also den Personen mit EU-Schwerbehindertenausweis, auch die Nutzung des Personennahverkehrs zu ermöglichen und bittet "den Bereich der Sonderkonditionen auf Grund gesetzlicher Regelungen im Bereich der Personenverkehrsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich" zu streichen.
Der Bundesrat hat in seinen Beschluss die Gefahren der "Inländerdiskriminierung" erläutert. Damit ist gemeint, dass die Kriterien der einzelnen EU-Staaten, die zur Anerkennung eines Schwerbehindertenausweises, unterschiedlich ausgelegt sind. Bedeutet, dass der Begriff und die Definition, ab wann ein Mensch als "behindert" gilt, jeder EU-Staat für sich definiert. Mit dem EU-Schwerbehindertenausweis kann es somit dazu führen, dass im Urlaubsland jemand Leistungen durch den EU-Schwerbehindertenausweis im Aufenthaltsland erhalten könnte, obwohl die Kriterien zur Anerkennung der Schwerbehinderung, im Aufenthaltsland nicht gegeben sind.
In dem Beschluss des Bundesrats wird zudem auf Mehrbelastungen innerhalb der Bundesländer und Kommunen, sowie den zusätzlichen Umsetzungsaufwand verwiesen. Auch wenn nicht klar dargestellt, so liest sich der Beschluss zwar wie ein Bekenntnis für einen EU-Schwerbehinderten- und Parkausweis, aber dann folgt eine lange Aufgliederung von Punkten, die dagegensprechen sollen.
Jetzt kommt es darauf an, wie die Reaktion der Bundesministerien ist, aber eines wurde aus dem Beschluss des Bundesrats deutlich, dass eines der großen Faktoren das Geld und der zusätzliche Personalbedarf ist. Punkte die offensichtlich gerne als Hinderungsgrund für soziale Projekte oder Umsetzung und Stärkung der Rechte behinderter Menschen ist. Dabei ist die UN-Behindertenrechtskonvention keine Neuheit und gerade die unionsgeführten Regierungen hatten die große Chance hier mehr gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umsetzen zu können.
Das der Begriff "Schwerbehinderung" unterschiedlich ausgelegt wird zeigt aber auch deutlich, dass wir europaweit unterschiedlich gesellschaftlich entwickelt sind und eine klare Einigung, ab wann eine Einschränkung vorliegt, weniger mit dem Empfinden des einzelnen zu tun hat, sondern sich auf unterschiedliche Parameter aufbaut, die meist von denen definiert werden, die selbst keine Einschränkung besitzen, aber sich in dem Glauben befinden, dieses bewerten zu können.
Weitere Differenzierungen gibt es in der Gültigkeit des EU-Schwerbehindertenausweises, denn dieser ist nur für Kurzaufenthalte in einem anderen EU-Staat bestimmt, diese wiederum mit 3 Monaten definiert. Diese zeitliche Begrenzung steht aber im Wiederspruch mit anderen Regelungen. In Spanien sind bspw. Kurzurlaube bis zu 179 Tagen möglich. Stellungnahme von B90 / Katrin Langensiepen: https://bit.ly/EU-Schwerbehindertenausweis